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Helge Wohltmann·12. Juli 2018

Grindels politische Vergangenheit: Spielte er "Rechtsaußen"?

Artikelbild:Grindels politische Vergangenheit: Spielte er "Rechtsaußen"?

DFB-Präsident Reinhard Grindel steht seit Tagen massiv in der Kritik und teils wird schon sein Rücktritt gefordert. Auch seine politische Vergangenheit wird jetzt unter die Lupe genommen.

Von 2002 bis 2016 war Grindel als Abgeordneter Mitglied des Bundestags und war dort unter anderem im Innen- und Sportausschuss tätig. Und diese Vergangenheit holt ihn nun ein, denn sie liefert seinen Kritikern neue Munition. Vor allem war der 56-Jährige nämlich für seine zuletzt getätigten Aussagen rund um Mesut Özils Foto mit Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdoğan aus dem Mai 2018 gerügt worden.


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Nachdem er vor der WM eine Diskussion um das Foto noch unterbinden wollte, forderte Grindel vor wenigen Tagen eine öffentliche Stellungnahme von Özil: „Deshalb ist für mich völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse äußern sollte.“ Die Fans hätten „zu Recht“ ein Interesse daran. Nach dem Gruppenaus hat er also plötzlich seine Meinung geändert. Ob er aber wirklich glaubt, dass Deutschland nur deshalb gegen Südkorea und Mexiko verloren habe, weil der Spielmacher sich nicht zu dem Foto äußerte, ist nicht bekannt.

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Die Kritiker warfen ihm danach vor, den rechtspopulistischen Zeitgeist zu bedienen und denjenigen neues Futter zu liefern, die keine Spieler mit Migrationshintergrund in der Nationalmannschaft sehen wollen. Der Zentralrat der Muslime fordert sogar den Rücktritt Grindels, weil er Özil als Sündenbock hinstelle. Vor allem, weil es der DFB bislang verpasste, andere Gründe für das Ausscheiden zu präsentieren.

Als „Rechtsaußen“ aufgetreten

Im ‚Tagesspiegel‘ meldeten sich nun auch ehemalige Bundestagskollegen des DFB-Präsidenten anonym zu Wort. Ihr Urteil: Grindels Verhalten passe zu seinem Auftreten als Abgeordneter der CDU. Er sei schon immer ein Opportunist mit „knallharter Ellbogenmentalität“ gewesen, teilten sie der Zeitung mit. Der ehemalige Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu sagte sogar, dass Grindel im Parlament als „Rechtsaußen“ aufgetreten sei.

So sei er, laut Mutlu, mit Aussagen aufgefallen, die „reinster AfD-Sprech, bevor es diese Partei überhaupt gab“ gewesen seien. Der ‚Tagesspiegel‘ berichtet, dass Grindel schon im Dezember 2004 die Meinung: „Multikulti ist in Wahrheit Kuddelmuddel“ vertreten habe. Es sei „eine Lebenslüge, weil Multikulti in vielen Vierteln eben nur Monokultur geschaffen hat, wo Anreize zur Integration fehlen.“ In den Städten gebe es zu viele islamisierte Räume „und Verhaltensweisen von Ausländern, die zu Unfreiheit führen.“

In seiner Zeit als Abgeordneter warnte Grindel demnach immer wieder vor „Masseneinwanderung, Überforderung des Staates, Ausbeutung der Sozialsysteme. In seinem Wahlkreis forderte er mehr Polizei, damit die Bürger sich sicher fühlen könnten vor den vielen Zuwanderern“, so die Zeitung. Außerdem habe er 2013 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund argumentiert und gefordert, dass diese sich für eine Staatsbürgerschaft entscheiden müssten. Die Mehrheit des Bundestages entschied 2014 anders.

Maulkorb vom DFB

Grindel sollte damals als Schatzmeister Teil des DFB-Präsidiums werden, weshalb Mutlu und 37 weitere Unterzeichner einen Protestbrief an den Fußballverband schickten. Daraufhin habe der DFB mit Grindel vereinbart, künftig „parteipolitisch umstrittene Themenfelder“ zu umschiffen und sich nicht mehr zu diesen zu äußern, wie der Verband in seiner Antwort mitteilte. Eigentlich eine Missachtung der Grundgesetz-Vorgabe, dass Abgeordnete „an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“ seien. Der heutige DFB-Präsident bestritt diese Vereinbarung damals.

Dem ‚Tagesspiegel‘ zufolge habe er sein Verhalten danach aber entsprechend angepasst. Für Mutlu ein Beweis dafür, dass Grindel opportunistisch seine Überzeugungen vergisst, wenn es die Situation erfordert: „Als Deutschland vor vier Jahren mit einer multikulturellen Mannschaft und Mesut Özil die WM gewonnen hatte, stellten sich alle voll dahinter. Jetzt, nach der Niederlage, fällt der DFB-Präsident einem Spieler von damals in den Rücken und erklärt ihn zum Sündenbock, um vom Zustand des DFB und seiner eigenen Verantwortung abzulenken.“

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Ist Grindels politische Vergangenheit ein Hinweis darauf, warum er so bereitwillig auf den Zug aufsprang, Özil als zentralen Baustein des deutschen Scheiterns bei der WM zu sehen? Laut Mutlu sei das Verhalten von Grindel „schäbig“ und es schade dem Fußball bis in die unteren Spielklassen, wo viele Spieler aktiv seien, die ebenfalls einen Migrationshintergrund haben.