Moussa Diaby von Bayer Leverkusen im Interview: "Thomas Tuchel war dagegen" | OneFootball

Moussa Diaby von Bayer Leverkusen im Interview: "Thomas Tuchel war dagegen" | OneFootball

Icon: Stats Perform

Stats Perform

·24. Juli 2019

Moussa Diaby von Bayer Leverkusen im Interview: "Thomas Tuchel war dagegen"

Artikelbild:Moussa Diaby von Bayer Leverkusen im Interview: "Thomas Tuchel war dagegen"

Moussa Diaby unterschrieb im November 2017 bei Paris Saint-Germain seinen ersten Profivertrag, keine zwei Jahre später ist der Franzose mit einer Ablösesumme von 15 Millionen Euro siebtteuerster Neuzugang in der Geschichte von Bayer Leverkusen.

Im Interview mit Goal und  SPOX  spricht Diaby über seine Kindheit, die Leihe nach Crotone, seine Bewunderung für PSG-Trainer Thomas Tuchel und das Image von Superstar Neymar.


OneFootball Videos


Herr Diaby, Sie sind in Paris geboren und haben seit 2013 für Paris Saint-Germain gespielt. Wie sind Sie zum Fußball gekommen?

Moussa Diaby:  Ich bin im 19. Arrondissement im Nordosten von Paris aufgewachsen und habe schon früh mit meinen Kumpels in den Parks und auf den Spielplätzen der Stadt gekickt. Wenn man in Paris groß wird, ist der Fußball bei allen Jungs die Sportart Nummer eins. Ich war ein großer Fan von Lionel Messi und habe natürlich vor allem auf die Spiele von PSG geschaut. Mein großer Bruder hat mich schließlich bei einem Verein um die Ecke angemeldet, bei Esperance Paris. Nebenbei bin ich ganz normal zur Schule gegangen und dreimal die Woche ins Training. Sechs, sieben Jahre lang habe ich bei Esperance gespielt.

Bis es eben 2013 zu PSG ging. Wie lief das ab?

Diaby:  Nach dem letzten Saisonspiel kam damals ein Vertreter von PSG auf mich zu und bot mir eine Art Praktikum an, um zu sehen, wie es dort für mich laufen würde. Diese Chance habe ich natürlich ergriffen. Es lief dort auch gut, daher bekam ich wenig später einen Vertrag über fünf Jahre - zwei davon in der sogenannten Vorschulung, drei im richtigen Ausbildungszentrum. Dort war es dann gerade zu Beginn alles andere als einfach, denn ich musste mich gegen Jungs beweisen, die alle ein brutal hohes Niveau hatten. Man bekommt aber schnell beigebracht, dass man schon ein paar Opfer bringen muss, um es nach oben zu schaffen. Das war anfangs vor allem die Tatsache, dass ich meine Familie und Freunde deutlich weniger gesehen habe, manchmal bis zu zwei Wochen nicht. Ich ging dort auf dem Gelände nämlich auch zur Schule, so dass sich Unterricht und Training immer abgewechselt haben und alles am selben Ort stattfand.

Vier Jahre später, im November 2017, unterschrieben Sie wieder einen Vertrag - den ersten Profivertrag Ihrer Karriere. Welche Perspektiven hat man Ihnen bei PSG damals aufgezeigt?

Diaby:  Ich weiß noch, wie ich mich damals riesig gefreut habe, dass das geklappt hat. Ich hatte mich mit der Zeit immer mehr entwickelt, das kriegt man ja selbst auch mit. Und mir wurde gesagt, dass sie meine Entwicklung noch lange nicht am Ende sehen. Ich sollte Trainingseinheiten und Spielzeiten bei den Profis erhalten. Doch gerade das mit der Spielpraxis wollte dann nicht so recht klappen, weshalb wir relativ schnell die Leihe nach Crotone vereinbart haben.

Und zwar bereits im Januar 2018. Sie waren zum ersten Mal in Ihrem Leben außerhalb von Paris unterwegs. Wie hat sich das angefühlt?

Diaby:  Anfangs war es wirklich schwer, weil Paris wie eine eigene Welt und eine Stadt ist, in der es einfach alles gibt. Ich habe dann immer wieder meine Freunde zu mir eingeladen, mich aber auch nach und nach besser in die Mannschaft integriert. In Crotone zu leben ist langfristig sicher leichter als in Paris, aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich trotzdem immer Paris auswählen.

Ihr erstes Spiel haben Sie dort erst im April gemacht. Eine Woche nach Ihrem Debüt durften Sie wieder ran - allerdings zum letzten Mal. Woran lag es, dass Sie während der Leihe letztlich nur auf zwei Serie-A-Spiele kamen?

Diaby:  Es lag nicht an meinem Spielstil oder meiner geistigen oder körperlichen Verfassung. Die Mannschaft war insgesamt in keiner guten Form, rund um den Klub wurde viel diskutiert. Der Trainer setzte einfach häufiger auf ältere und erfahrenere Spieler. Ich habe viel trainiert und versucht, so gut es geht zu arbeiten. Es ist leider nicht gut für mich gelaufen, aber ich habe dort trotzdem einiges gelernt. Daher würde ich auch sagen, dass mir diese Erfahrung geholfen hat, auch wenn ich gerne mehr als nur zwei Spiele gemacht hätte.

Crotone stieg am Saisonende in die Serie B ab und Sie gingen wieder zurück nach Paris. Stand schon im Vorfeld fest, dass die Leihe nur sechs Monate dauern würde?

Diaby:  Ja, das war von Anfang an so vereinbart. Daran hätte sich auch erstmal nichts geändert, selbst wenn die Leihe für mich fantastisch gelaufen wäre.

Wussten Sie schon vorher, dass Thomas Tuchel Ihr neuer Trainer sein würde, wenn Sie zu PSG zurückkehren?

Diaby:  Nein, das wusste ich nicht. Unter ihm lief es für mich dann aber auf Anhieb super. Thomas Tuchel hat mich sofort in die Gruppe aufgenommen. Ich durfte die gesamte Vorbereitung ganz normal mitmachen und bekam auch in den Testspielen gleich mehrfach die Chance, mich zu zeigen.

Zwischenzeitlich wollte Sie HSC Montpellier ausleihen. Wieso kam es nicht dazu?

Diaby:  Ich habe mir das lange überlegt und mit dem Trainer, den Verantwortlichen, meinen Beratern und meiner Familie gesprochen. Ich dachte, es wäre für mich besser, nach Montpellier zu gehen. Ich wollte einfach regelmäßiger spielen, jetzt wo ich es zu den Profis geschafft hatte.

Und wieso blieben Sie am Ende in Paris?

Diaby:  Thomas Tuchel war dagegen. Er wollte, dass ich bleibe. Er versprach mir, dass ich mich unter ihm gut weiterentwickeln würde und er mir ausreichend Spielzeit geben wird. Das ist letztlich alles eingetroffen, auch bei vielen anderen jungen Spielern. Es hat zwar nicht für jeden dauerhaft zum Stammplatz gereicht, aber das war unter Unai Emery trotzdem noch ganz anders. Tuchel hat an mich geglaubt, von Anfang an. Ohne ihn hätte ich es niemals so schnell nach Leverkusen und in die Bundesliga geschafft.

Welchen Eindruck haben Sie nach einem Jahr der Zusammenarbeit mit Tuchel?

Diaby:  Ich war und bin von ihm begeistert. Er ist ein sehr netter und freundlicher, aber auch extrem ehrgeiziger Trainer. Ihm macht es sichtlich Spaß, mit jungen Spielern zu arbeiten und sie besser zu machen. Er ging immer auf die Jungen zu, jeden Tag. Mir gefiel die Art, wie er die Mannschaft führte. Er legt sehr viel Wert auf die technische Ausbildung und hat tolle Trainingsübungen und Lehrmethoden eingeführt, die man in Paris zuvor so nicht kannte. Das hat uns Spielern viel Freude bereitet und dem Verein in meinen Augen auch sehr geholfen. Er hat mit PSG in allen Wettbewerben noch viel vor, das steht fest. Ich kann nur Gutes über ihn sagen.

Aus Mainz und Dortmund hieß es häufig, Tuchels Training sei besonders für den Kopf anstrengend. Wie empfanden Sie das?

Diaby:  Dass er unheimlich viel von den Spielern verlangt, ist ja bekannt. Er ist im Trainingsbetrieb wirklich sehr anspruchsvoll und davon überzeugt, dass man die Spiele am Wochenende nur gewinnt, wenn man die Gier und Lust auch täglich in den Einheiten aufbringt. Die Konzentration permanent hochzuhalten, ist nicht einfach. Da habe ich dann schon auch mal einen auf die Kappe bekommen, aber er half mir immer wieder zurück in die Spur.

Bei PSG trainierten Sie täglich mit Größen wie Edinson Cavani, Kylian Mbappe oder Neymar. Was für eine Person ist denn ein Typ wie Neymar?

Diaby:  Ich habe ihn als ganz normalen Kerl kennengelernt. Er hat keine Starallüren und wollte auch nicht, dass man ihm auf dem Platz jeden Ball zuspielt. Er hat uns jungen Spielern manchmal auch Tipps gegeben. Man merkt, dass er schon viel Erfahrung gesammelt hat, aber er ist mit jedem eigentlich auf dieselbe Art und Weise umgegangen. Niemand hatte mit ihm ein Problem.

Würden Sie sagen, dass er in der Öffentlichkeit ein falsches Image hat?

Diaby:  Ich finde zumindest nicht, dass er auf dem Spielfeld zu einer anderen Person geworden ist. Über ihn wird natürlich sehr viel gesprochen und geschrieben, aber da ist auch immer einiges an Quatsch dabei. Wie will man auch über ihn als Person urteilen, wenn man nur externe Einblicke hat?

Wie häufig hat er sich denn im Training zu Schwalben hinreißen lassen?

Diaby:  Es kam vor, aber nicht oft - und er war auch nicht der Einzige. (lacht)

Wie haben Sie Mbappe wahrgenommen, der ja nur ein paar Monate älter ist als Sie?

Diaby:  Seine Siegermentalität ist enorm ausgeprägt. Er ist immer heiß auf Tore und zählt auch die, die er im Training schießt. Kylian ist natürlich sehr eng mit uns jungen Spielern gewesen, schließlich gehört er ja selbst noch dazu. Deswegen weiß er auch ganz genau, was wir aktuell durchmachen oder kürzlich noch durchgemacht haben. Ihm erging es genauso, nur ist er einfach so schnell so gut geworden, dass er sich um solche Dinge wie regelmäßige Spielpraxis keine Gedanken machen muss. Er war uns ein paar Schritte voraus.

Nachdem PSG das Finale des Coupe de France gegen Rennes verloren hatte, kritisierte Neymar die jungen Spieler in der Mannschaft und meinte, sie würden nicht auf die Ratschläge der Erfahrenen hören. Was sagen Sie dazu?

Diaby:  Ich habe das mitgekriegt, aber ich kann dazu nichts sagen, weil ich nicht weiß, wen er da genau gemeint hat und welche Botschaft er damit aussenden wollte. Ich weiß, dass ich ein junger Spieler bin, aber ich denke nicht, dass er zwangsläufig von mir gesprochen hat. Deshalb kann und will ich das auch gar nicht kommentieren.

Gab es denn intern Auseinandersetzungen zwischen Jung und Alt?

Diaby:  Nein. Wir hatten in der Kabine eine gute Stimmung und haben viel zusammen gelacht. Es gab keine Diskussionen in dieser Hinsicht. Wenn die erfahrenen Spieler mit den jüngeren geredet haben, dann wurde zugehört und versucht, die Ratschläge anzunehmen. Ich habe nie beobachtet, dass einer der Jungen nicht zuhören wollte.

Unter Tuchel kamen Sie letztlich auf 34 Pflichtspiele, in denen Ihnen vier Tore und sieben Vorlagen gelangen. Zu welchem Zeitpunkt der Vorsaison wurde Ihnen denn klar, dass Sie PSG verlassen werden?

Diaby:  Einen genauen Moment gab es nicht. Ich wäre auch gerne in Paris geblieben - dann hätten sich meine Perspektiven allerdings deutlich verbessern müssen. Ich bin ein junger Spieler, der dringend regelmäßig spielen muss. Ich will mich so schnell wie möglich weiter verbessern. Daher habe ich mich anderweitig umgeschaut und wollte auch keine weitere Leihe. Ich wollte zu einer Mannschaft, die wie PSG mit viel attackierendem Ballbesitz spielt, starke Spieler in ihren Reihen hat und mir die Möglichkeit gibt, dort schnell Stammspieler zu werden. In Paris hätte ich darauf noch warten müssen - wahrscheinlich zu lange. Leverkusen bietet mir diesbezüglich großartige Möglichkeiten, und das bei einem deutschen Top-Klub, der Champions League spielt.

Was hat Tuchel zu Ihren Gedanken gesagt?

Diaby:  Er hat mir zunächst von der Bundesliga erzählt und wie es im deutschen Fußball grundsätzlich abläuft. Als es mit Leverkusen konkret wurde, meinte er, dass sei ein sehr guter Klub für mich, weil die offensive Spielphilosophie zu mir passen würde. Er konnte mir in Paris eben keine bestimmte Anzahl an Einsätzen garantieren. Auch was das betrifft, will ich bei Bayer 04 jetzt richtig durchstarten.

In Leverkusen trainieren Sie nun unter Peter Bosz, der des Französischen mächtig ist. Wären Sie auch ins Ausland gegangen, wenn der Trainer nicht Ihre Landessprache hätte sprechen können?

Diaby:  Natürlich, aber das ist schon ein Glück und hilft mir schon sehr. Peter Bosz muss sich aber noch verbessern, was sein Vokabular angeht. (lacht)

Was wussten Sie denn im Vorfeld über Bayer Leverkusen?

Diaby:  Ich habe mir schon mal Spiele von Bayer angeschaut, als ich noch nicht wusste, dass ich eines Tages dorthin wechseln würde. Der Klub war ja eigentlich immer in internationalen Wettbewerben dabei, sehr oft in der Champions League. Rund um meinen Wechsel habe ich mich dann natürlich intensiv mit Leverkusen beschäftigt. Mir gefällt der Offensivdrang des Teams und ich finde, dass es viele starke Einzelspieler gibt. Daher war ich schnell überzeugt, dass das ganze Projekt gut zu mir und vor allem zu meinem Tempospiel passen würde.

Die Ablösesumme, die Leverkusen nach Paris überwies, betrug 15 Millionen Euro - damit sind Sie der siebtteuerste Neuzugang in der Geschichte des Klubs. Was sagen Sie zu diesem Betrag?

Diaby:  Sieht man die heutigen Transfersummen, dann ist er eher gering. (lacht) Aber die Ablösesumme macht mich schon stolz, weil es auch für Leverkusen ein sehr großer Transfer ist. Ich hoffe, dass ich diesen Betrag mit guten Leistungen rechtfertigen kann, damit der Klub und seine Fans eines Tages stolz auf mich sein können.

In den Medien wurden Sie schon als PSG-Supertalent und Pariser Juwel bezeichnet.

Diaby:  Ich spüre keinen Druck. Ich bin auch kein PSG-Supertalent, sondern eines von vielen, die in Paris ausgebildet wurden. Ich verstehe aber, dass es etwas Besonderes ist und in den Medien einen gewissen Hype auslöst, wenn ein Spieler von PSG nach Leverkusen wechselt. Einfach auch deshalb, weil man normalerweise aus Paris nur zu einem noch größeren Klub wechselt. Ich bin aber wie gesagt ein junger Spieler, bin überzeugt von diesem Weg und glaube, dass Leverkusen für mich die beste Wahl war.