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Konstantin Keller·6. Februar 2018

Vor Urteil zum Spielausschluss: Babelsberg zerlegt Verbands-Statement

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Über den Konflikt zwischen dem SV Babelsberg und dem Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) haben wir hier bereits ausführlich berichtet. Nulldrei antwortete nun unmittelbar vor der Entscheidung des Landesverbandes im Bezug auf die ausgebliebenen Strafzahlungen auf ein Statement von diesem.

Dabei sezierten die Babelsberger auf ihrer offiziellen Homepage die Stellungnahme des NOFV Schritt für Schritt und kommentierten die einzelnen Passagen.


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Das Ergebnis findet ihr im originalen Wortlaut im Folgenden, alle Zitate aus der ursprünglichen Stellungnahme des NOFV sind in kursiv gehalten, die Antworten des Klubs aus der brandenburgischen Landeshauptstadt haben wir gefettet:

NOFV weist Vorwürfe zum Verfahren gegen Babelsberg 03 zurück

Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) tritt den erhobenen Anschuldigungen im Zusammenhang mit den Verfahren vor den Rechtsorganen des NOFV gegen den SV Babelsberg 03 entschieden entgegen. Es konnte der Eindruck entstehen, der Verein sei wegen des Rufes „Nazi-Schweine raus!“ aus dem Babelsberger Fanblock zu einer Geldstrafe verurteilt worden, deren Zahlung er verweigere. Dem ist mitnichten so.

Wenn dem mitnichten so ist, dann verwundert doch die wechselnde Argumentation, warum dieser Satz überhaupt in der Urteilsbegründung auftaucht. Der NOFV erklärte in einer ersten Stellungnahme dazu, dass der Ruf aus der Babelsberger Kurve nur im Urteil erwähnt sei, um Vollständigkeit zu gewährleisten und dass diese Erwähnung nur der Erläuterung dienen würde. Also ein bewusstes aktives Aufführen in der Urteilsbegründung. Aktuell verlegt man sich auf die Variante, dass dies versehentlich geschehen sei, so Richter Oberholz: „Teilweise machen wir das copy and paste.”

Eine derart wechselnde Argumentation verleiht der Aussage, dass diese Erwähnung NICHT urteilsrelevant sei, wenig Glaubwürdigkeit. Das Eingeständnis, hier fehlerhaft gehandelt zu haben, macht die Sache nicht besser. Und der Richter räumt öffentlich ein, dass die Erwähnung des Vorfalls in der Urteilsbegründung „fehlerhaft“ gewesen sei. So Oberholz: „Das hätte man besser rausgelassen. Weil das hat ja nur zu Unklarheiten und Verwirrung geführt und zu dem durchaus nachzuvollziehenden Vorwurf des Vereins, wir hätten genau diese Äußerung bestraft. De facto ist dieses nicht geschehen.“

Zuallererst unterstreicht der NOFV mit Nachdruck, dass der Verband – wie auch der DFB, seine Mitgliedsverbände und Vereine – für die Grundwerte einer weltoffenen demokratischen Gesellschaft, für Vielfalt und Toleranz und gegen jegliche Formen von Rassismus, Diskriminierung und Antisemitismus eintritt.

Das finden wir nicht nur gut, sondern selbstverständlich. Wenn jetzt noch diesem Postulat konkrete Taten folgen würden…

Zum Sachverhalt teilt der NOFV mit, dass es im Spiel der Regionalliga Nordost am 28.04.2017 zwischen dem SV Babelsberg 03 und dem FC Energie Cottbus zu erheblichen Ausschreitungen in den Fanbereichen kam. Durch Anhänger beider Vereine wurde massiv Pyrotechnik abgebrannt. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch und musste u. a. aufgrund der Platzstürmungen Cottbuser Anhänger zweimal unterbrochen werden. Der SV Babelsberg 03 ist daraufhin zu einer Geldstrafe von 7.000 Euro und einem zur Bewährung ausgesetzten Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit verurteilt worden, der FC Energie Cottbus zu 10.000 Euro und einem Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Zunächst eine weitere, unwahre Behauptung des NOFV: ein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit ist final nicht gegen Cottbus verhängt worden, sondern wurde in der Revision zurückgenommen! Hierzu zitieren wir Energie Cottbus aus der Stellungnahme vom 25.7.2017: “Insgesamt sind wir jedoch sehr froh, dass wir mit der Berufung, das für uns mit katastrophalen Auswirkungen versehene „Geisterspiel“ abwenden konnten“, sagt Präsident Michael Wahlich zum Urteil.

Auch der Rest ist eine interessante, aber stark verkürzte Darstellung des Sachverhalts. Zunächst wurde Energie Cottbus zu einem Geisterspiel (Schaden laut Energie Cottbus 100.000 Euro) und zu 16.000 Euro für Vorgänge aus drei verschiedenen Spielen verurteilt. Diese wurden nach einer zugelassenen Revision auf 10.000 Euro (wohlgemerkt für drei Vergehen) reduziert, von denen zunächst nur 6.000 Euro zu zahlen sind, da 4.000 Euro zur Bewährung ausgesetzt wurden und demnach zunächst nicht gezahlt werden müssen. Das Geisterspiel entfiel völlig und wurde auch nicht auf Bewährung ausgesetzt. Mithin zahlt Cottbus weniger als der NOFV von Babelsberg für ein Vergehen fordert. Zudem bleibt Babelsberg ein Geisterspiel auf Bewährung erhalten. Eine Revisionsverhandlung gegen das Urteil gegen den SV Babelsberg 03 wurde bis heute verweigert.

Bis zur Urteilsfindung wurde das Sportgericht von keiner Seite – auch nicht in den Stellungnahmen des SV Babelsberg 03 – auf rechte Parolen, Hitlergrüße etc. hingewiesen, somit waren ihm diese nicht bekannt und kein Bestandteil der erstinstanzlichen Urteile.

Hier setzt der NOFV weiterhin seine Strategie der konsequenten Lügen fort. Bereits in unserer Stellungnahme an das Sportgericht im Rahmen des schriftlichen Anhörungsverfahren, also VOR dem ersten Urteil, konnten Richter und Beisitzer unter Punkt 4 u.a. Folgendes lesen:

„Die unermesslich hohe Anzahl von verfassungsfeindlichen und volksverhetzenden Entgleisungen im Gästeblock stellt das eingangs beschriebene Kernproblem noch einmal deutlich dar. Kein Verein, der sich offen gegen Rassismus und Diskriminierung ausspricht, kann eigentlich der bevorzugte Verein eines derartigen Personenkreises sein. Die Feststellung, dass dort Einzelne die Plattform Fußball in den letzten Jahren für sich missbraucht haben, ist so erschreckend wie wahr.“

Und Energie Cottbus selbst übergab in seiner Stellungnahme vom 7.5.2017 sogar einen Auszug aus der Lausitzer Rundschau mit dem Titel:

“Erschreckende Szenen beim Auswärtsspiel des FC Energie (Mit Video)”

und führte in seiner Stellungnahme weiterhin wie folgt aus:

„Das Spiel ist missbraucht worden, nicht wie es so oft in den letzten Tagen behauptet wurde von Energiefans, sondern von Kriminellen und Gewalttätern, die leider das Brandenburgderby für sich genutzt haben, um Straftaten auszuüben und politisch aktiv zu sein. Diese Personen bewegen sich für uns nur schwer verhinderbar im Umfeld unseres Vereins und wollen Personen schaden, aber auch nachhaltig unseren Verein und unsere Fankultur zerstören … Wir sprechen hier von Personen, die sowohl der losen als auch organisierten rechtsextremen Klientel zuzuordnen sind. Mitglieder der Gruppen Inferno Cottbus und Unbequeme Jugend, mit dabei war auch zweifelsfrei eine nicht unwesentliche Anzahl von Personen der „New Society“ Chemnitz … Zudem distanzieren wir uns klar von diesen Stören und vor allem von Neonazis.“

Weiterhin appellierte der FC Energie Cottbus in seiner Stellungnahme an das Sportgericht, „das Thema Zivilcourage besonders zu würdigen“ und bedauerte, dass zu vorangegangenen Vorfällen wegen bis dahin ausstehender Urteile „verbandsseitig eine große Chance vergeben wurde, ein öffentlich wirksames Zeichen zu setzen“.

Und im Urteil selbst wird unter Punkt 3 folgendes festgehalten:

“Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Schiedsrichtersonder- und dem NOFV- Sicherheitsbericht, den Stellungnahmen der beteiligten Vereine, soweit das Sportgericht diesen folgen konnte, sowie aus der Inaugenscheinnahme der TV-Bilder über die Vorfälle (u.a. RBB, YouTube, Facebook).”

Und trotzdem erklärt der NOFV bzw. Herr Oberholz bis heute, z. B. in einem aktuellen Interview mit dem Deutschlandfunk: „Da wussten wir nichts von, schlicht und ergreifend.“

Der Präsident des NOFV hat hier allerdings eine etwas andere Meinung. Dass die rassistischen Vorkommnisse nicht erwähnt wurden, sei ein Fehler, sagt auch Rainer Milkoreit. „Man muss sagen, wir müssen unseren Aufgaben so nachkommen, dass wir allen Ansprüchen gerecht werden. Und in dem Fall war das nicht so“, erklärt der NOFV-Präsident.

Beide Vereine haben gegen die Urteile des Sportgerichtes Berufung eingelegt. Die vom SV Babelsberg eingereichte Berufung wurde als unzulässig verworfen, da sie nicht unterzeichnet war. Die Berufungsvorschriften sind den Vereinen bekannt. Somit war das Verfahren gegen den SV Babelsberg 03 vor den Rechtsorganen des NOFV abgeschlossen und rechtskräftig.

Die Nichtzulassung zur Revision des Urteils gegen den SV Babelsberg 03 mit Hinweis auf eine fehlende Originalunterschrift wollen wir an dieser Stelle nur bedingt weiter vertiefen und weisen auf den § 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des NOFV hin:

§ 9a

Elektronische Medien Anträge, Einsprüche, Beschwerden, Berufungen und ähnliches können über das EDV-basierte Informationssystem des NOFV eingelegt werden. Für den Nachweis der Rechtzeitigkeit gilt das Absendedatum im Informationssystem des NOFV.

Ein Hinweis auf eine notwendige Unterschrift ist hier nicht erwähnt und wurde in den vergangenen Jahren auch bei gleichen gelagerten Fällen nicht verlangt. Eine aussagekräftige Erklärung hierzu gibt es vom NOFV bis heute nicht.

Der SV Babelsberg 03 hatte die Möglichkeit, gegen das rechtskräftige Urteil des NOFV das unabhängige Schiedsgericht für die Regionalliga Nordost anzurufen, was er auch getan hat. Dieses Schiedsgericht ist kein Rechtsorgan des NOFV, sondern wurde durch den Präsidenten des Kammergerichtes Berlin mit Richtern besetzt. Der SV Babelsberg 03 hat zwar die Klageschrift eingereicht, aber die Angelegenheit nicht – wie notwendig – weiter betrieben. Das ständige Schiedsgericht hat daher am 31.01.2018 die Beendigung des Schiedsgerichtsverfahrens festgestellt.

Das ist zunächst mal korrekt. Aber zum Zeitpunkt der geplanten Anrufung eines Schiedsgerichts wurde eine Nachuntersuchung der Vorgänge auf Hinweis des DFB durch Herrn Oberholz begonnen. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung, dass die dort gewonnenen Erkenntnisse zu einer Revision unseres Urteils führen würde. Bekannterweise führten sie aber zu einem weiteren Urteil gegen Energie Cottbus, das dann zurückgenommen wurde. Dass uns nun implizit vorgeworfen wird, dass wir hier dem NOFV die Chance gegeben haben, das Skandalurteil selbst zu korrigieren, ist schon perfide.

Aus dem rechtskräftigen Urteil gegen den SV Babelsberg 03 folgt die Verpflichtung zur Zahlung der dort festgelegten Geldstrafe und der Verfahrenskosten. Der Verein ist mehrfach erinnert, angemahnt und auf die möglichen Folgen bei einer Nichtzahlung hingewiesen worden. Ein Erlass oder teilweiser Verzicht auf diese Forderungen ist dem NOFV rechtlich nicht möglich. Nach den Statuten des Verbandes führt eine Nichtzahlung allerdings nicht zum Ausschluss aus dem Spielbetrieb, sondern zur Spielsperre bis zur Erfüllung der Zahlungspflichten.

Hierzu erklären wir gern erneut, dass wir eine angemessene Strafe für den Teil des Urteils akzeptieren, der sich auf den Einsatz von Pyrotechnik bezieht. Angemessen heißt auch in Relation zum Urteil gegen Energie Cottbus. Ansonsten bleibt anzumerken, dass der NOFV in jüngster Zeit jegliches Augenmaß bei der Höhe von Strafen offensichtlich verloren hat. Strafzahlungen wie in der Bundes- oder zweiten Bundesliga üblich, passen nicht zu Amateurvereinen und müssen daher abgelehnt werden.

Das jüngste Urteil des NOFV-Sportgerichts gegen den SV Babelsberg 03 vom 31.01.2018 befasst sich nicht mit diesem Verfahren, sondern mit erneuten Vorkommnissen bei den Meisterschaftsspielen gegen den FSV Union Fürstenwalde und die VSG Altglienicke seitens Anhängern des SV Babelsberg 03. Dort ist kein Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhängt worden, vielmehr wurde die bereits bestehende Bewährungsfrist verlängert. Dies war aufgrund der Intensität der neuerlichen Vorfälle (u. a. gewaltsame Übergriffe durch Babelsberger Anhänger) angemessen.

Wir werden dieses Urteil in den kommenden Tagen prüfen und wahrscheinlich Einspruch einlegen. Dies betrifft sowohl die Höhe der Geldstrafe als auch besonders das Festhalten an Geisterspielen als Strafe. Gegen die Verhängung von Kollektivstrafen wie die Verhängung von Blocksperren, Teilausschlüssen oder „Geisterspielen“ hat sich bereits der DFB im August letzten Jahres klar positioniert. Dies sollte im Amateurbereich erst recht gelten.

Der NOFV wird interessierte Medienvertreter in Kürze zu einem Pressegespräch einladen, um weitere Informationen zur Verfügung zu stellen und Anfragen zu beantworten.

Gern nehmen wir, eine Einladung vorausgesetzt, an einem solchen Gespräch teil. Dies wäre schließlich das erste Mal, dass wir uns persönlich Gehör verschaffen könnten. Bisher wurden alle Urteile hinter verschlossenen Türen, ohne unser Beisein gefällt. Unsere Angebote, sich ohne Vorbedingungen zusammen zu setzen, fanden ebenfalls keinen Anklang. Und dies obwohl der Präsident des NOFV an das Sportgericht seines Verbandes appelliert hat, künftig mündlich zu verhandeln, was im Fall des SVB mit merkwürdigen Begründungen abgelehnt wurde. „Ich hätte mir eine mündliche Verhandlung gewünscht, um Ungereimtheiten zu vermeiden“, sagt Milkoreit. Denn bei gründlicher Betrachtung aller vorhandenen Dokumente und Bilder, die Nazi-Gesänge und Hitlergruß deutlich zeigen, kommt der NOFV-Präsident nicht umhin zu sagen: „Es erschließt sich mir nicht, wie es zu solch unterschiedlichen Auffassungen kommt.“

Dem ist nichts hinzuzufügen!

Einmal mehr klare Kante für den Verband aus dem Lager der Blauweissbunten. Das Urteil in diesem Fall wird mit Spannung erwartet, Babelsberg verkündete bereits im Falle einer Sperre oder eines Lizenzentzuges vor einem ordentlichen Gericht zu klagen.