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Vertikalpass

·21. April 2024

Wir sind nicht die Geilsten

Artikelbild:Wir sind nicht die Geilsten

Ich hatte mir immer eine gewisse Skepsis gegenüber der Wahnsinnsaison des VfB erhalten. Spätestens nach dem Hoffenheim-Spiel warf ich sie über Bord. Jetzt ist der VfB so aufgetreten gegen Werder Bremen, wie ich es mir in meiner skeptischen Phase immer vorgestellt hatte: Meist ordentlich, aber oft auch schlampig. Nicht schlecht, aber nicht wirklich gut. Mit jeder Menge Pech, aber auch mit viel Unvermögen. Typisch VfB eben, so wie ich ihn in den letzten Jahren erlebte. Typisch auch das Ergebnis: nichts Zählbares und ein ambivalentes Gefühl, woran es liegt.


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Scheinbar ist die Mannschaft in Bremen mal wieder an dem Punkt angekommen, an dem sie dachte: „Wir sind die Geilsten“. Gut zu sehen an Enzo Millot, der sich darin gefiel, den Ball sauber am Fuß zu führen, tendenziell zu lang, mit zu vielen Kontakten und der es offensichtlich als unwürdig empfang, auf Widerstand zu treffen und der es für eine Unverschämtheit hielt, dass ihm der Hinterkopf getätschelt wurde. Obwohl, wenn das Leo Bittoncourt bei mir gemacht hätte, wäre ich auch sauer gewesen.

Insgesamt der VfB in der ersten Halbzeit mit zu wenig Zweikampfhärte, mit vielen Larifari-Pässen, mit zu wenig Entschlossenheit und mit zu vielen Nachlässigkeiten. Wie bei der Situation zum 1:0 als plötzlich Jamie Leweling als letzter Mann verteidigen musste. Anfang der zweiten Halbzeit ging es gerade so weiter wie vor dem 2:0, als eine 3:2-Situation hergeschenkt wurde, weil Angelo Stiller nicht schnell genug schaltete und Hiroki Ito nicht heraus rückte. So konnte Romano Schmidt sehenswert auf Marvin Dusch passen, der sein zweites Tor erzielte.

Natürlich war auch Pech dabei, als Deniz Undav in der 5. Minute an die Backe von Michael Zetterer lupfte statt ins Tor oder wie in der 44. Minute, als der ehemalige SVW-Jugendspieler an die Unterkante der Latte köpfte und der Ball eben nicht über die Linie ging.

Werder mit einer beachtlich leidenschaftlichen Abwehrleistung, aber auch mit dem Vorteil, zu zwölft verteidigen zu können. Bremens bester Mann saß im Kölner Keller und würfelte kalibrierte Linien aus: Felix Zwayer, der eigentlich nicht mehr im Schiriwesen tätig sein sollte. Wahlweise gab auch Schiedsrichter Robert Schröder den zwölften Mann, mit schwer nachvollziehbaren Entscheidungen. Ich hätte zum Beispiel in der 68. Minute Elfmeter gepfiffen, als Zetterer ungestüm in Stiller sprang. Mag aber auch an meiner VfB-Brille gelegen haben. Die trägt sicher auch Undav, der nicht unberechtigt anmerkte: „Da kann ich ja auch nächste Woche einem Innenverteidiger eine mit der Faust zentrieren und es gibt keinen Elfmeter.“ Die Niederlage allerdings in erster Linie am Schiedsrichterteam fest zu machen, wäre zu einfach. Auch wenn es entscheidend Einfluss aufs Spiel nahm.

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Nick Woltemade trägt nächste Saison den Brustring und überzeugte gegen seine künftigen Mitspieler.

In den letzten 20 Minuten und nach dem Anschluss von Undav will der VfB den Ausgleich erzwingen. Silas war gekommen und legte einige konfuse Soli hin. Mo Dahoud wurde für Atakan Karazor eingewechselt, hielt den Ball aber meist zu lang, spielte mit zwei oder drei Kontakten statt mit einem. Mag aber auch sein, dass ihm die Anspielstationen fehlten.

Zur Halbzeit schon kam Chris Führich und Sebastian Hoeneß korrigierte damit seine Fehleinschätzung, die linke Angriffsseite offensiv quasi unbesetzt zu lassen. Fast alle gefährlichen Aktionen liefen über Führich, der auch Maxi Mittelstädt mitnahm. Dazu kamen an die 100 Flanken, die in den Bremer Strafraum segelten. Sie waren nicht immer gefährlich, sorgten aber für ständigen Stress in der Werder-Abwehr. Oft fehlte nicht viel, wie in der 98. Minute, als sich Serhou Guirassy um den Gegner drehte, der aber im letzten Moment noch die Fußspitze in den Schuss von Stuttgarts Rekordtorjäger brachte.

Erst kein Glück, dann kam Pech hinzu gegen widerspenstige Bremer, die von Trainer Ole Werner gut eingestellt wurden. Sie verdichteten das Zentrum, so dass der VfB sein Spiel lange Zeit nicht aufziehen konnte. Dazu kam, dass dem VfB die Präzision fehlte, er lange Zeit zu verspielt und zu umständlich zum Erfolg kommen wollte.

Gut war, wie der VfB auf die Rückstände reagierte: unbeeindruckt, an seine eigene Stärke glaubend. Auch wenn das manchmal überheblich wirkte, der VfB ließ sich nicht hängen. Es fehlte dann doch an vielen Kleinigkeiten, um noch einen Punkt von der Weser mitzunehmen. Mit einer Chancenauswertung wie gegen Frankfurt allerdings wäre Zählbares durchaus drin gewesen. Aber es kann dem VfB nicht immer gelingen, enge Spiele noch auf seine Seite zu ziehen. Das muss man auch einmal akzeptieren. Angelo Stiller dagegen fehlt nächste Woche im Spitzenspiel gegen Leverkusen, wo Granit Xhaka ebenfalls gelb-gesperrt pausieren muss. Und den Verfolgern fehlen nach den Ergebnissen vom Wochenende noch vier beziehungsweise sechs Punkte, um den VfB noch zu überholen. Es bleibt spannend, ob der VfB seinen Platz unter den ersten Vier verteidigen kann.

Vielleicht kam der Rückschlag genau zur richtigen Zeit, um die Sinne für die letzten Spiele zu schärfen. Und um am Ende der Saison sagen zu können “Wir sind die Geilsten!”

Zum Weiterlesen: Unser VertikalGIF macht einen Sonntags-Fluch aus.

Bilder: Focke Strangmann / AFP

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